Documenting Teresa Carreño

Saal der Singakademie (March 24, 1916)

Description

Carreño performed with the Berlin Philharmonic under conductor Camillo Hildebrand. She performed Piano Concerto no. 1 in B-flat Minor, op. 23 (Tchaikovsky, Pyotr Il'yich), Piano Concerto in E minor, op. 11 (Chopin, Fryderyk), Piano Concerto in E flat major (Liszt, Franz). The concert began at 8 pm. She performed on a Bechstein Piano.

Source

Review: Neue Zeitschrift für Musik no. 16/17, 20 April 1916, 136. 

Concert Program: D-Bpa

Contributor

Kijas, Anna

Transcription

Neue Zeitschrift für Musik no. 16/17, April 20, 1916.

Aus Berlin

Von Bruno Schrader

Ich habe früher einmal über die Triplizität unserer Konzertereignisse gescherzt, ein Spaß, zu dem hier fast jede Konzertwoche Veranlassung gäbe. Jetzt scheinen die Pianisten von dieser Dreifaltigkeitssucht erfaßt worden zu sein: nachdem sie sich neulich auf Beethovens D dur-Sonate op. 10 verschworen hatten, stürzten sie sich jetzt auf Schumanns Carneval. Er wurde von Edmund Schmid, Alfred Höhn, Leonid Kreutzer und Karin Dayas zum besten gegeben.

Jedesmal geriet er anders, aber Schumann würde wohl keinem sein Placet gegeben haben. Und Carl Reinecke, der Unvergeßliche, auch nicht. Die gegenwärtige Pianisterei marschiert auf Abwegen. Objektive Unterordnung unter die Absicht des Komponisten und die spezifische Klavierschönheit sind dahin. Im allgemeinen wenigstens. Daß sie als Ausnahme noch vorkommen, zeigte uns Teresa Carreño, deren Konzert mit dem Philharmonischen Orchester das eigentliche Ereignis der Woche war. Das Spiel dieser eminenten Frau ist kongeniale, aber treueste Nachdichtung, die den verschiedenartigsten Werken klassisich vollendet gerecht wird; ihr Anschlag bald heroisch groß, bald traumverloren, voll zartester Poesie, stets aber schön und durchdrungen von seelischer Wärme; ihre Technik ein Wunder mühelosen Spieles. Tschaikowskys B moll - Konzert, Chopins E moll-Konzert und Liszts Es dur-Konzert bildeten das gewaltige Programm. Hier wurden alle die Vierzehn (!) geschlagen, die das Lisztsche Werk in dieser Berliner Saison gespielt hatten, und zwar auch gewisse „Hauptschüler" Liszts. Da ging keine Oktave in der gefürchteten Eingangsstelle daneben, da kam die ganze glänzende Phantastik des eigentümlichen Großmeisters zum restlosen Ausdrucke. Und von Chopin blieben jene ewig schwankenden Rubatogestalten ferne, die der nervöse Tondichter beim Stundengeben immer durch den Ruf „Takt, mehr Takt!" zu verscheuchen suchte. Hier fand man dieses heute so mißverstandene Rubato endlich einmal wieder auf das richtige Maß reduziert. Die Romanze und der langsame Satz im Tschaikowskyschen Werke entfalteten die intimsten Reize, deren die Klavierpoesie überhaupt fähig ist — kurz, man kam wieder zu der Überzeugung, daß Frau Carreño gegenwärtig die alles überragende Klaviergröße ist. In ihrem Spiele erlebt man noch das goldene Zeitalter dieser Kunst, das sonst mit Liszt und Rubinstein ins Grab sank.

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“Saal der Singakademie (March 24, 1916),” Documenting Teresa Carreño, accessed April 16, 2024, https://documentingcarreno.org/items/show/318.

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